Die Jagd
Der Sport in Rot
Reiten hinter den Hunden ist eine der ältesten Formen der Jagd. Seit der Mensch Hunde domestiziert hat, nutzte er sie zum Jagen, seit er das Pferd gezähmt hat, nutzte er es als Transportmittel auf der Suche nach Nahrung. Jagen hinter Hunden war zunächst Notwendigkeit, später Zeitvertreib für Kaiser und Könige und ihre Edelinge. Wenn an einem Jagdtag im Herbst die roten Röcke der Reiter durch den Nebel leuchten, das Dröhnen der Pferdehufe und das Geläut der Hundemeute zu hören ist, dann werden Bilder aus vergangenen Jahrhunderten wieder lebendig. Rund 5000 Reiter sind heute in Deutschland als bekennende Jagdreiter ein- bis zweimal wöchentlich hinter den Hunden von 23 Meuten unterwegs, die der Fachgruppe Jagdreiten im Deutschen Reiter- und Fahrerverband angeschlossen sind.
Die Schleppjagd in Deutschland heute verläuft unblutig. Jagen auf lebendes Wild ist bereits seit den 30er Jahren gesetzlich verboten. Stattdessen laufen die Hunde auf einer künstlichen Fährte, dem "Scent", und werden am Ende mit einem Stück Pansen bei der feierlichen "Curée" nach dem "Halali" belohnt. Die Schleppe wurde früher gelegt mit Hilfe eines in Fuchslosung getränkten Schwammes oder einer mit einem Balg gefüllten Drahtkugel, die der Schleppenleger zu Pferd an einer Schnur hinter sich herzog. Heute hat der Schleppenleger einen Tropfkanister am Sattel festgeschnallt und legt so die Fährten im Gelände. Je naturnaher das gelingt, desto authentischer ist das Jagderlebnis. Die Reiter folgen den Hunden, um deren Sucharbeit mitzuerleben. Fuchslosung wird immer noch verwendet, aber manche Meuten ziehen Heringslake oder Anislösung vor. Einige Meuten jagen auch auf Trittsiegel eines bestimmten Pferdes ("clean boot").
Tradition und Bräuche
Schleppjagd heute ist Sport und Freizeitvergnügen, aber auch die Pflege von Traditionen und altem Kulturgut. Der Hintergrund der Schleppjagd in Deutschland ist international geprägt und das schon lange vor dem Jagdverbot von 1934 . Man folgt englischen Traditionen und französischen Zeremonien und Musik-Signalen, die aus der Hirsch- und der Parforcejagd des Mittelalters stammen. Ein Teil des Brauchtums ist auch aus der grünen Jagd entlehnt. So erhalten die Teilnehmer einer Jagd im Anschluss an den Ritt und nach der Belohnung der Hunde vom Jagdherrn oder seiner Dame einen "Bruch" als Andenken überreicht. Vor dem Hubertustag (3.November) besteht er aus einem Eichenzweig, danach aus Fichte. Jedes, auch manches heute unverständlich oder überflüssig erscheinende Detail, lässt sich aus der Jahrhunderte währenden Geschichte der Jagd erklären. Der rote Rock ist nicht Angeberei oder Karnevals-Relikt, sondern diente dazu, die Jagdteilnehmer im Wald oder im Nebel besser sichtbar zu machen. Das aufwändig gebundene Plastron konnte früher im Bedarfsfall gleich als Bandage für Verletzungen bei Reiter oder Pferd genutzt werden. Die "Curee", bei der die Hunde abschließend mit Rinderpansen belohnt werden, ist keine Fütterung, sondern symbolisiert den Anteil, den die Hunde bei der Jagd auf lebendes Wild bekamen.
Die Jagdreiterei in Deutschland hat ihre Grundlagen spätestens seit der Wende zum vorigen Jahrhundert eher in der Ausbildung von Pferden für die Kavallerie als in der Erlegung von Wild. In England reitet man, um zu jagen. In Deutschland wird schon lange gejagt, um zu reiten. Pferde und Reiter, die unerschrocken über Stock und Stein den Hunden nachsetzen, waren auch tüchtig in der Schlacht. "In schnellem Tempo denken und handeln", war das Motto der Kavallerieschule Hannover. Dieses Kapitel ist inzwischen abgeschlossen. Was davon jetzt noch bleibt, ist ein harmonisches Zusammenspiel von Mensch, Tier und Umwelt - heute zeitgemäßer und wichtiger denn je.
Die Praxis
Ablauf einer Jagd
Die Equipage, bestehend aus dem Master, dem Huntsman, den Pikeuren und dem Schleppenleger, führt und präsentiert die Hunde. Der Equipage mit der Meute folgt der Jagdherr. Er ist der eigentliche Gastgeber, der meistens auch das erste Feld der Reiter anführt. Je nach Teilnehmerfeld und Jagdstrecke wird in mehreren Feldern, d.h. Gruppen geritten, darunter auch einem "Nichtspringer-Feld", das die Hindernisse auslässt.
Nach der Begrüßung am Platz des Stelldicheins wird die Meute zum Anlegeplatz für die erste Schleppe geführt. Erst wenn die Hunde sicher auf der Fährte sind, folgen die Reiter. Eine Jagd ist kein Wettrennen. Der Vordermann wird nicht überholt. Die Jagdstrecke führt je nach Jahreszeit über eine Entfernung von zehn bis zwanzig Kilometern, die aufgeteilt sind in verschiedene Schleppen. Schrittpausen dazwischen und Stopps dienen der Erholung der Meute und von Reitern und Pferden. Die letzte Schleppe endet mit dem "Halali!". Dazu wird die Meute geschlossen an einen Platz geführt, wo die Zuschauer inzwischen eingetroffen sind und die "Curée" (frz. die Beute) vorbereitet ist. Die Reiter sitzen ab und bilden mit ihren Pferden an der Hand einen Halbkreis um die Hunde, und wenn der Master die Curée freigegeben hat, ziehen sie ihre Kappe und rufen "Halali, Halali" (frz für ha la lit, da liegt er.) Danach nehmen die Reiter zu Fuß ohne Pferd aus der Hand der Gastgeberin oder einer Dame, die besonders geehrt werden soll, den Bruch entgegen. Wenn Pferde und Hunde angemessen versorgt sind, klingt der Tag mit einem Beisammensein aus.
Auf der Jagd als Zuschauer
Zuschauer sind immer gern gesehen. Man fährt entweder mit dem eigenen Fahrzeug zu Stellen im Gelände, an denen man die Hunde und die Reiter besonders gut beobachten kann, oder der Veranstalter stellt als Transportmittel einen geländegängigen Kleinbus oder auch eine zünftige Kutsche. Immer ist die Zuschauerkolonne von einem Ortskundigen geführt. Wichtige Regel für Zuschauer: nie die Schleppe kreuzen, die der Schleppenleger gelegt hat, damit die Hunde bei ihrer Fährtenarbeit nicht abgelenkt werden. Wer seinen eigenen Hund mitbringt, sollte ihn an der Leine halten, damit die Meute nicht plötzlich Zuwachs bekommt.
Die Musik
Die Jagdreiterei in deutscher und französischer Tradition ist eng verbunden mit Hornsignalen. In England wird ausschliesslich ein kurzes Rufhorn für den Appell der Hunde benutzt. Aber wer in Deutschland oder Frankreich die Signale für die verschiedenen Wildarten und Ereignisse zuzuordnen weiß, der kann auch über weite Entfernungen den Verlauf der Jagd akustisch verfolgen. Die schönste Jagdmusik liefern die ES-Hörner ("Deutsches Horn") oder die noch größeren französischen Trompes de Chasse, die in D-Dur gestimmt sind.